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Die Zeit der Postkutschenromantik

Teil II

Helmut Elsner

 

In der Nr. 10 der „Ochtruper Heimatblätter“ wurde das Treiben an einer Ochtruper Postkutschenstation geschildert. Auch die Leiter der hiesigen Station aus der Familie Gatersleben wurden vorgestellt. Diese Leiter waren wichtige Personen im Ort, aber auch für das gesamte Land, hing doch von ihrer Zuverlässigkeit - es braucht nur auf den in Nr. 10 abgedruckten „Contract“ verwiesen werden - das Funktionieren von Verkehrsverbindungen und Nachrichtenübermittlungen ab.

War die Leitung lasch, waren auch bald die Untergebenen (Postillione, Pferdeknechte, Handwerker, usw.) nachlässig. Aber die staatlichen Kontrollorgane waren unerbittlich, und mit Strafen war man nicht kleinlich. Betrunkene Postillione verloren im Handumdrehen ihre Stellung.


Bevor ich mich den verschiedenen Arten von Postdiensten zuwende (Ordinäre Posten oder Fahrposten, Schnellposten, Extraposten, Frachtposten, kombinierte Personen- und Frachtposten, Kuriere oder Reitposten, Estaffeten und Omnibusse) ein Wort zu den Postillionen. Sie waren Angestellte der Posthalter. Aus dem „Contract“ von 1836 in der letzten Ausgabe ist ersichtlich, daß der Postillion neben freier Beköstigung jährlich 14 Reichsthaler bar als Lohn erhielt. Hierzu kam noch das Trinkgeld, das die Passagiere mit dem zu entrichtenden Fahrpreis zahlten. Von seinen Einnahmen mußte er aber auch seine schicke Uniform bezahlen bzw. abbezahlen. 14 Thaler neben Kost und Wohnung (diese meistens in den Pferdeställen) waren nicht viel. Hiervon konnte man um 1830/40 im Schnitt 260 kg, etwas über 5 Zentner Roggen kaufen.

Oben wurde das im Fahrpreis enthaltene feste Trinkgeld erwähnt. Als diese Regelung noch nicht getroffen war, kam es oft zu üblichen Mißständen. Die Höhe des Trinkgeldes entschied meistens über die Vergabe der besten Plätze. Ich glaube fest, daß aber auch nach der Einbeziehung des offiziellen Trinkgeldes in den Fahrpreis, ein hin und wieder heimlich zugesteckter Dritteltaler durchaus Wunder wirken konnte.
Die Fahrpreise betrugen in der Zeit um 1840/50 bei normalen Fahrposten im preußischen Gebiet in der Regel 6 Silbergroschen (30 Silbergroschen = 1 Reichstaler) pro Meile (ca. 7,5 km) und Person, bei Schnellposten 9 Silbergroschen pro Meile und Person. Hierbei ist zu beachten, daß die Schnellposten gegenüber den normalen Fahrposten zwar „schnell“ waren, aber 1837 für die Strecke Berlin bis Hannover bei 43,25 Meilen (ca. 320 km) immerhin noch 38 und ¼ Stunde brauchten. Gepäck bis zu 30 Pfund war frei. Der Fahrpreis betrug für die Strecke auf preußischem Gebiet 12 Taler, 12 Silbergroschen und 9  Pfenninge (ganz richtig Pfenninge, im Gegensatz zu den vor 1821 gültigen Pfennigen; hier kamen zwar auch 12 Pfennige auf einen Groschen, aber 24 Groschen kamen auf einen Taler). Für die Strecke auf hannoverschem Gebiet waren 28 Gute Groschen = 1 Reichstaler und 4 Gute Groschen zu zahlen. Der hannöversche Gute Groschen war seinerzeit 1/24 Taler, der preußische Silbergroschen l/30 Taler wert. Alles in allem kostete diese durchaus beschwerliche Fahrt auf meistens schlechten Straßen fast 14 Reichsthaler, genau soviel, wie ein Postillion dieser Zeit als Barlohn ohne Trinkgelder jährlich  erhielt.

Reisen mit der Postkutsche waren teuer, deswegen „ritt“ der Handwerksbursche während seiner vorgeschriebenen Wanderjahre „auf  Schusters Rappen“ und die armen Studenten zogen zu den segensreichen Quellen der Wissenschaften, sprich zu den Universitäten, „per pedes apostolorum“ zu Fuß, wie die Apostel. Es war auch selbstverständlich, daß münsterländische Kleinhändler, die „Kiepenkerle“, ihre „Verkaufsfahrten“ zu Fuß unternahmen.
Durch den Ausbau der Landchausseen, u.a. der Strecke Münster - Enschede in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, wurde der Postkutschenverkehr aufgrund der besseren Straßenverhältnisse schneller. Die Streckengeschwindigkeit einer normalen Fahrpost steigerte sich von 8 bis 9 km pro Stunde auf eine „enorme“ Geschwindigkeit von 11 km pro Stunde! Die Schnellpost war nur unwesentlich schneller.

Die Pferdewechselstationen lagen ca. 20 km auseinander. Da der Bau der Chausseen Geld kostete und der Staat  seiner Zeit wie auch heute zu wenig Geld hatte, wurde in bestimmten Abständen Chausseegelder erhoben. In der Nr. 5 der „Ochtruper Heimatblätter“ wurde die Chausseegeldordnung für das nördliche Münsterland auszugsweise veröffentlicht. Die Chaussee war durch eine Schranke(Barriere) gesperrt. Erst nach Zahlung des Chausseegeldes durfte das Fuhrwerk, der Reiter oder der Bauer bzw. Händler, der Vieh auf den Markt trieb, passieren. Nahte eine Postkutsche oder ein Postreiter , wurde die Barriere auf das Hornsignal des Postillions hin geöffnet. Er hatte freie Fahrt. Auch mußten der Postkutsche entgegenkommende Fuhrwerke oder Fahrzeuge , die von der „rasend“ schnellen Postkutsche überholt wurden, den chaussierten Teil der Straße, der nicht sehr breit war, verlassen und auf den neben der Chaussee angelegten Sommerweg ausweichen, sobald der Postillion durch ein Signal zum Ausweichmanöver aufforderte.

Ein kurzes Wort zu dem beliebten Sport, den Staat zu betrügen, hier die Chausseeschranken zu umgehen bzw. zu umfahren. Wurde man erwischt, und das war oft der Fall, hagelte es neben der nachzuzahlen Chausseegebühr, eine saftige Strafe in Höhe der 4-fachen Gebühr, aber mindestens 1 Taler.

Jetzt zu den „Extraposten“. Personen von hohem Stande bzw. mit viel Geld mieteten eine Extrapostkutsche oder besaßen eine eigene Kutsche. Die Kutsche des deutschen Dichterfürsten und großherzoglichen Staatsministers Johann Wolfgang von Goethe ist in der Remise seines Hauses am Frauenplan in Weimar zu besichtigen. Friedrich von Schiller, dessen Haus ein paar Straßen weiter steht, war arm, er besaß keine eigene Kutsche.

Bei den „Extraposten“ mußte je Pferd und Meile ein bestimmter Betrag als Miete entrichtet werden. Um 185o waren das in Westfalen 12,5 Silbergroschen. Die Zahl der Pferde war übrigens vorgeschrieben und richtete sich nach dem Gewicht der Kutsche.

Der Postillion mußte ebenfalls gemietet werden. Ihm stand ein bestimmtes Trinkgeld zu. Der Wagenmeister auf den Poststationen hatte Anspruch auf das sogenannte „Schmiergeld“. Das Wort „Wer gut schmeert, der gut fährt“, war eine Binsenweisheit. Das Chausseegeld fiel selbstredend ebenfalls zusätzlich an. Relativ „bequem“ zu reisen war teuer, man konnte es auch billiger haben, aber das war dann aber nicht mehr “bequem“. Außerdem, wer wollte schon auf ein Statussymbol verzichten, man konnte es sich ja leisten.

Reisende Fürsten konnten natürlich auf ihren eigenen Wagenpark, und war er noch so klein, zurückgreifen. Sie hatten selbstverständlich einen eigenen Kutscher und hinten standen meistens auf den „Dienstbotenbrettern“ zwei  Lakaien. Sie verfügten sogar über einen eigenen „Vorläufer“, der im Dauerlauftempo vor der Kutsche herlief und entgegenkommende Personen und Fahrzeuge aufforderte, den Weg freizumachen für Seine Hoheit ...!

Nun zu den Postkutschen, die im offiziellen Dienst standen. War das erst auch im preußischen Staat, ein Sammelsurium verschiedenster Bauarten, so strebte doch die preußische Post eine Vereinheitlichung an., was auch weitgehend gelang.

Nebenbei bemerkt, eine relativ kleine Kutsche, die Ende des 18. Jahrhunderts als Postkutsche benutzt wurde, kostete ca. 150 Taler an Herstellungskosten. In dieser Zeit verdiente ein Maurer 70 bis l00 Taler im Jahr. Auch heute muß man für einen Mercedes oder BMW der gehobenen Klasse zwei Jahreslöhne eines Maurers hinblättern.

Die Preußische Post gründete in der 1. Hälfte des 19. Jahrhundert eigene Werkstätten, in denen Postkutschen hergestellt wurden. Die Werkstätten wurden aber Mitte des 19. Jahrhunderts wieder aufgegeben. Dafür wurde ein Musteralbum erstellt und an interessierte Wagenbaubetriebe abgegeben, um standardisierte Fahrzeuge von privaten Unternehmern beziehen zu können. Auch so konnte die Zahl der Wagenmodelle auf 19 reduziert werden.

Die Postkutschenzeit wird heute romantisiert und verklärt. Verglichen mit den heutigen Verkehrsmitteln waren es langsame Fahrzeuge, mit denen man alles andere  als bequem reisen konnte.

H. Elsner

 

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