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Die letzten Kriegstage in Welbergen - Der Tod des Küsters Anton Wessels

M. Katerkamp

In den "Ochtruper Heimatblättern", Heft 2, Seite 9, stehen die Chronistenworte: "Osterdienstag, am 03.04.1945, schlug für Ochtrup die Stunde Null."

An diesem Tag - so wird berichtet - wurde Ochtrup durch das mutige Handeln und risiko­reiche Verhandeln des damaligen Bürgermeisters Dr. Linnhoff vor der Zerstörung be­wahrt.

Es gab an diesem Tag noch eine andere Begebenheit.

Zur gleichen Zeit, als Herr Dr. Linnhoff mit den Engländern verhandelte, schlug nach Gottes Fügung die Schicksalsstunde für den Welberger Küster, meinen Vater Anton Wessels (75) und für seinen Bruder Wilhelm Wessels (73). Sie fielen einer Minenexplosion zum Opfer.

Hier eine Kurzaufzeichnung der dramatischen Geschehnisse jener Tage:

1. April 1945 (Qstersonntag)

Englische Truppen besetzen Welbergen.

In unserem damals ganz einsam und allein gelegenen Haus am alten Bentheimer Damm hatten in diesen Tagen allerlei Menschen - Freunde, Bekannte, aber auch Fremde -Zuflucht vor den Wirren des Krieges gesucht. Wir fühlten uns "in der Wildnis" ziemlich sicher.

Und dann wurde "unser" Bentheimer Damm zum Hauptfluchtweg der geschlagenen deutschen Soldaten und zum Auffahrtsweg für die Sieger, die Engländer.

So kam es, daß wir noch am Abend des Karsamstag deutsche Soldaten "zu Gast" hatten. Um sie zu bewegen, das Vaterland nicht ausgerechnet bei uns zu verteidigen, mußten un­sere letzten Essensvorräte herhalten. Zum Glück hatten wir damit Erfolg. Die "Unserigen" rückten noch gerade rechtzeitig in Richtung Bentheim ab.

Schon am Ostermorgen ratterten die ersten englischen Panzer und Militärfahrzeuge an unserem Haus vorbei. Englische Soldaten kamen auch herein.

Meine Eltern, Maria und Anton Wessels, wohnten in Welbergen neben der Kirche. Am Nachmittag dieses ereignisreichen Tages besuchte ich sie. Noch heute sehe ich meinen Vater vor mir, wie er, gemütlich im Sofa sitzend, die in Welbergen allgemein herrschende Stimmung in die Worte fasste: "Gott sei Dank, für uns ist der Krieg zu Ende." Wir vereinbarten, dass mein Vater, zusammen mit dem in der Nähe wohnenden Onkel Wilhelm, am Dienstag nach Ostern wegen dringend notwendiger Geschäfte mit Pferd und Wagen zu uns kommen sollte. - Keiner ahnte, dass diese Fahrt eine Todesfahrt werden sollte.

2. April 1945 (Ostermontag)

Ebenso wie am Vortag ließ der damals schon hochbetagte Pfarrer Ernst es sich auch am Morgen dieses Tages durch nichts nehmen, in der Kirche in Welbergen ein feierliches Hochamt zu zelebrieren. Viele Menschen nahmen daran teil.

Die bei uns hin- und herfahrenden Militärfahrzeuge wurden langsam weniger. Am Nachmittag dieses Tages waren sogar schon einheimische Osterspaziergänger zu sehen, die seelenruhig und neugierig an unserem Haus vorbeigingen.

Aber diese scheinbar schon recht friedliche Idylle täuschte. Sie ging für uns schon bald über in schmerzliche Aufregung.

Mit ihrem Einmarsch hatten die Engländer als erstes für die deutsche Zivilbevölkerung die abendliche Sperrstunde eingeführt. Sie dauerte bis zum anderen Morgen. Niemand durfte sich während dieser Zeit draußen sehen lassen. -

Josef Engels, aus Gesundheitsgründen als Soldat von der Wehrmacht entlassen, 24 Jahre alt, zählte mit seinen Eltern zu den Gästen, die in unserem Haus Schutz gesucht hatten. In der Dunkelheit verließ er an diesem Abend das Haus, um aus einem in den Wochen zuvor selbst angefertigten "Bunker" für seine Eltern und sich einige lebensnotwendige Sachen zu holen. Dabei wurde er von britischen Soldaten gefangen genommen und weggebracht. Erst vier Monate später wurde er, kranker als zuvor, aus der Haft entlassen.

Wahrscheinlich war die infolge der Verhaftung des Josef Engels im Hause herrschende Aufregung der Grund dafür, dass keiner von uns bemerkte, was in dieser Nacht an­schließend, fast direkt vor unserer Haustür, geschah.

Deutsche Soldaten, die sich tagsüber noch am "Roten Berg" versteckt gehalten hatten, verminten vor ihrem endgültigen Abzug ein Wegstück vom Bentheimer Damm. In welch große und doppelte Gefahr sie damit die Welberger Bevölkerung, besonders aber uns brachten, ist mir erst später "richtig aufgegangen".

Nach dem zu erwartenden Lauf der Dinge konnte man damit rechnen, dass auch am nächsten Tag englische Fahrzeuge den Weg benutzen und dass wenigstens eins auf eine dieser Minen fahren und zerstört werden würde.

 

 

 

Wir, Katerkamp, waren weit und breit die einzigen, die dort wohnten; unser Haus lag in unmittelbarer Nähe der nächtlich verlegten Minen. Wenn am Osterdienstag statt unseres Pferdewagens ein englisches Militärfahrzeug bei der Minenexplosion in die Luft geflogen wäre, hätte man uns mit Sicherheit für diesen heimtückischen Anschlag verantwortlich gemacht. Auf jeden Fall hätte man uns als Mitwisser angesehen. Das bedeutet: Das englische Militär hätte mit uns so verfahren, wie das bei der Partisanenbekämpfung in einem Krieg auch heute noch allgemein üblich ist. Welchen Ausgang hätten unter diesen Umständen die eingangs erwähnten gleichzeitigen Verhandlungen des Bürgermeisters Linnhoff genommen? -Aber es kam anders. -

3. Aril 1945

Am Osterdienstag konnten die britischen Streitkräfte ungefährdet die weite bequeme Hauptstraße von "Engels Kreuzung*1 bis vor Ochtrup benutzen. Langenhorst war kampflos übergeben worden. So blieb bei uns auf dem Bentheimer Damm bis zum Mittag alles still und ruhig.

Um die Mittagszeit, gegen 14.00 Uhr, bogen hintereinander zwei Pferdefuhrwerke auf den

Bentheimer Damm ein und kamen gemächlich auf uns zu.

Im hinteren Wagen saß Josef Göbel, der Schwiegersohn unserer Landnachbarn Stüker. Er

war Vater von vier kleinen Kindern, wohnte normalerweise in Herten und hatte mit Frau

und Kind bei den Schwiegereltern in Welbergen Zuflucht genommen.

Im Wagen davor befanden sich mein Vater und sein Bruder.

Die Explosion ereignete sich, als wir gerade beim Mittagessen saßen. Voller Angst und Schrecken eilten alle in den Keller. Zwei oder drei Minuten später schaute ich durch ein Fenster auf den Weg, sah das geschirrlose Pferd und hörte das Schreien des Josef Göbel: 'Maria! Maria! Jue Vader! Jue Vader!"

Wilhelm Wessels, mein Onkel, war sofort tot; mein Vater, Anton Wessels, hatte noch einige Stunden zu leben. Mit einem britischen Sanitätswagen wurde er noch in das nicht weit yon uns entferntem Josef-Haus nach Wettringen gebracht, wo ein deutsches Kriegslazarett eingerichtet war. In der Nacht starb mein Vater; und als mein Bruder Paul ihn am nächsten Morgen besuchen wollte, hatten ihn die Engländer schon in einem Gemeinschaftsgrab, zusammen mit toten deutschen Soldaten, beerdigt.

Die restlichen im Weg versteckten Minen richteten keinen weiteren Schaden an. Sie wurden schon wenige Stunden nach dem Unfall von Einheimischen beseitigt.

 

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