ImpressumDatenschutz

Hilfe in Feuersnot

Die Münzen der Ochtruper Umgebung im 16. Jahrhundert

von Helmut Elsner

Am 19. April 1599 um 13 Uhr verheerte ein durch einen Blitzschlag verursachter Brand die Festungsstadt Ochtrup. Die Kirche und fast sämtliche innerhalb der Wälle stehenden Häuser, und zwar 51 an der Zahl, wurden durch den Brand vernichtet. Eine Feuerversicherung gab es nicht, eigene Mittel waren kaum vorhanden, lag doch die letzte Plünderung durch marodierende Kriegsscharen gerade ein Jahr zurück. Feuersnot war seinerzeit ein schwerer Schicksalsschlag, denn bei der üblichen leichten Bauweise unter Verwendung von viel Holz und der engen Bebauung in den Städten, auch in den kleinen Landstädten, griff das Feuer schnell um sich und war nicht mehr zu löschen. Die Ochtruper Bürger standen vor dem Nichts, sie waren auf die Hilfe gutherziger Menschen in der Umgebung angewiesen. Abgesandte der Stadt mußten in der näheren und weiteren Umgebung betteln gehen. Sie erhielten reichlich Hilfe, denn jedermann wußte, morgen kann mich der gleiche Schicksalsschlag treffen. Die Spendenliste ist noch erhalten und befindet sich heute im Stadtarchiv Ochtrup.

Reichlich wurde gegeben, von Sendenhorst und Lüdinghausen bis Vechta und Wildeshausen, das Emsland nicht zu vergessen. Ja, auch die niederländischen Grenzorte wurden erfolgreich angesprochen. In dieser Zeit, als viele Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken nicht nur zu Auseinandersetzungen mit Worten führten, wurde von allen, ob evangelisch oder katholisch, gegeben. Die menschliche bittere Not kannte keine Landes- und Religionsgrenzen.

So gab auch die protestantische Stadt Burgsteinfurt 50 Reichstaler, die protestantische kleine Stadt Schüttorf mit dem Zusatz „aus guter Nachbarschaft” 18 Taler.

Alles in allem hatten die Geldspenden einen Wert von 230 bis 250 Reichstalern. Hinzu kamen noch Spenden an Getreide und an anderen Lebensmitteln.

Welchen Wert hatte zu dieser Zeit ein Reichstaler? - Nach dem „Reichstagsabschied” von 1566 zur Augsburger Reichsmünzordnung war der Reichstaler die höchste Silbermünze für den Handel mit einem Gesamtgewicht von ca. 29g und einem Silbergehalt von ca. 26g. Der Wert der Münzen wurde seinerzeit und auch in den nächsten Jahrhunderten zwar nach dem aufgeprägten Wert oder seinem Gesamtgewicht bemessen, aber maßgeblich war der Edelmetallgehalt der jeweiligen Münze. Entsprach dieser nicht der Vorschrift, wurden sie verrufen - das heißt aus dem Verkehr gezogen - oder sie wurden im Handel nur mit einem zusätzlichen Aufgeld genommen.

Was konnte man sich zur Zeit der Feuersnot für einen Reichstaler kaufen? - Nach erhaltenen Unterlagen konnte man im Raum der Stadt Xanten am Niederrhein ca. 73kg Roggen in den Jahren 1599/1600 kaufen. Im ländlichen Raum Norddeutschlands war zu dieser Zeit 1 Pfund Butter für 22 Pfennig und 1 Huhn für 18 Pfennig zu bekommen.

Wie stand es mit dem Verdienst eines normalen Erwerbstätigen? - Eine Bauernmagd erhielt neben Kost und Wohnung 2 Taler bar und 2 Paar Schuhe neben Stoff für Bekleidung. Handwerker verdienten viel mehr. Im norddeutschen Schillingbereich verdiente ein Maurermeister zum Beispiel täglich 12 Schilling mit ca. 15g Silber. Der Maurer erhielt 6 Schilling mit ca. 7,5g Silbergehalt, Zimmerleute ein paar Pfennig mehr oder den gleichen Lohn. Tagelöhner bei schwerer und gefährlicher Arbeit höchstens 6 Schilling täglich. Umgerechnet auf das Jahr unter Berücksichtigung der kürzeren Arbeitszeit im Winter bzw. Einstellung der Arbeit und Arbeitslosigkeit (annähernd 200 „Sommerarbeitstage”) ergibt das für den Maurermeister ca. 75 Reichstaler und für den Maurer 37,5 Reichstaler. Das ist allerdings ein Beispiel für die Löhne von Spezialisten (Kirchenbau) aus dieser Zeit. Der Maurermeister war mehr Konstrukteur und Architekt und der Maurer eher ein Maurerpolier, denn die Bauarbeiten wurden von schlechter bezahlten Hilfskräften ausgeführt.

Beim Wiederaufbau des Ackerbürger- und Festungsstädtchens Ochtrup wurde vieles in Eigenleistung geschaffen (auch beim Wiederaufbau der Kirche).

Verwirrend ist die Vielfalt der gespendeten Münzarten. Was war in der damaligen Zeit in der hiesigen Gegend an Münzen im Umlauf bzw. als Rücklage im Geldsack? - Deutsche Reichstaler, holländische Reichstaler, hiervon die halben Taler, die Ortstaler, die Silbergroschen, “12 Marck”, Goldgulden, “Dicke Taler”, “Schlechte Taler”, Königstaler, Carolusgulden aus Gold, Guldenstücke.

Welchen Wert verkörperten die genannten Münzsorten, woher kamen sie? - Hier will ich die sicherlich verschiedenen Arten der Silbergroschen außer acht lassen und mich auf die „schweren” Sorten beschränken. Bei den Silbergroschen wird es sich in der Regel um 1/24-Taler-Stücke gehandelt haben.

Auffällig ist, daß holländisches Geld in Ahlen, Ottenstein (die Nähe der Grenze) und auch in Emsdetten gespendet wurde. Besonders zu erwähnen ist,  daß es sich bei den deutschen  Reichstalern in den meisten Fällen nicht um fürstbischöfliche münstersche Prägungen gehandelt hat, denn die letzten bischöflichen Taler, die sich in dieser Sammlung befinden konnten, wurden in Münster 1569/1571 bis 1573(?) geprägt, und zwar in relativ geringer Menge. Das gleiche gilt für die Halbtaler. Auch vorher wurden Taler nur sporadisch in den dreißiger und vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts in der fürstbischöflichen Münze geprägt.

Der holländische Rijksdaalder war dem deutschen Reichstaler gleichwertig. Bei einem Gewicht von 29,2g hatte er 26g Silber Feingehalt. Der halbe Reichstaler (auch der niederländische halbe Rijksdaalder) hatte die Hälfte an Feingehalt.

Der Silbergroschen als 24. Teil des Talers wurde zu dieser Zeit oft unterwertig, d.h. mit weniger Feingehalt als vorgeschrieben (1,06g), ausgeprägt. So manches mit „Silbergroschen” bezeichnetes Stück konnte auch ein vor 1571/73 geprägter münsterscher Schilling gewesen sein.

Der münstersche Schilling sollte ein Silberfeingewicht von 0,81g bei etwas mehr als doppeltem Gesamtgewicht haben. Diese Werte wurden auch weitgehend in dieser Zeit eingehalten.

Die mit „12 Marck” bezeichnete Gabe des Kapitels der alten Domkirche zu Münster könnten Aachener „12 Marck” (ca. 12g Silberfeingehalt) sein. Ich halte diese Bewertung allerdings nicht für richtig; das wäre dem Kapitels eines Domes unwürdig. Ich nehme vielmehr an, daß hiermit 12 Mark der Währung der Hansestädte des Wendischen Kreises gemeint sind. Dieses würde 12 * 16 Schilling (16 Schilling = 1 Mark = ca. 12,9g Silber), also insgesamt ca. 154,8g Silber (= 6 Reichstaler) bedeuten.

Der eine Rheinische Goldgulden, die Spende eines Klosters, brachte bei 3,25g Gesamtgewicht ca. 2,48g Gold Feingewicht auf die Waage.

Mit der Bezeichnung „Dicke Taler” können Münzen gemeint sein, die mit den Stempeln eines halben Talers, aber in den Gewichten eines vollgültigen Reichstalers geprägt wurden.  Ortstaler waren Vierteltaler - die Bezeichnung eines vierten Teiles erscheint auch im „Oertgen” - mit 7,3g Gesamtgewicht bei einem Feingehalt von 6,5g Silber.

In der Aufstellung erscheinen auch zwei „Schlechte Taler”. Das war keine „Nickeligkeit” der Nienborger, sondern im Münsterland die Bezeichnung für nicht vollwertig geprägte Taler, d.h., die im Feingehalt nicht dem Feingewicht des Reichstalers entsprachen. So wurden z.B. die niederländischen Leeuwendaalder, die ab 1575 von den Generalstaaten eine verhältnismäßig kurze Zeit geprägt wurden, genannt. Bei einem Gesamtgewicht von ca. 28g betrug das Silberfeingewicht nur 20,7g.

Die Königstaler waren Burgundische oder Brabanter Münzen aus den südlichen Niederlanden. Sie entsprachen fast den gleichzeitig geprägten Reichstalern, hatten ein Gesamtgewicht von ca. 29,5g und ein Silberfeingewicht von 27,6g. Der Carolusgulden aus Gold war ein Goldstück, das in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Südlichen Niederlanden geprägt wurde, und bei einem Gesamtgewicht von 2,93g und 1,71g Goldfeingewicht eine der schlechtesten damaligen Goldmünzen war. Dieser Carolusgulden hatte nur ein Feingewicht, das 7/10 des Rheinischen Goldguldens entsprach. Sein Wert lag in der Höhe des Wertes der Leeuwendaalders.

Die unter Oldenzaal genannten Guldenstücke können keine niederländischen Silbergulden oder deren Vorläufer, die „Achtentwentiger” gewesen sein, denn mit der Prägung des letzteren wurde erst 1601 begonnen. Wahrscheinlich hat es sich um (Doppel-)Patards oder (Doppel-) Stuiver gehandelt. Die Doppelstuiver wogen ca. 3,7g und hatten einen Silbergehalt von ca. 1,84g. Ihr Wert lag bei 1/10 des Carolusguldens.

In einem solchen Münzwirrwarr sich zurechtzufinden, war nicht leicht, aber hierbei halfen Werttabellen, die von Zeit zu Zeit vom Landesherren herausgegeben wurden. Die eigentliche Grundmünze nach dem Ende der Pfennigzeit war im Gebiet des Fürstbistums Münster seinerzeit der münsterische Schilling. Es sei noch einmal betont, daß letztenendes im 16. und 17. Jahrhundert über den Wert der Münzen der jeweilige Edelmetallgehalt entschied.

 

 
Reichstaler von 1584 der Stadt Hamburg

Aus: Anton Wegener, Ochtrup - Ein Heimatbuch, S. 88-92

Reichstaler von 1584 der Stadt Hamburg

Rijksdaalder von 1555 der Stadt Nijmege

HEIMATVEREIN
Der VereinJahresprogrammAktuellesOchtruper AllerleiLiteraturbeiträgeAlte SchriftstückeHeimatblätterBücherverzeichnis OchtrupTermine
De PättkeslüeDenkmalpflegeHeimatkundeBrauchtumspflegeRadfahren und ReisenSenioren
De Pättkeslüe Denkmalpflege Heimatkunde Brauchtumspflege Radfahren und Reisen Senioren