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Alte Getreidemaße

Helmut Elsner

 

 

Wer heute in ein Geschäft geht, kauft Mehl usw. abgepackt in kg-Tüten. Beim Metzger bestellt er eventuell noch 1 Pfund oder ¼ Pfund Fleisch, Schinken oder Wurst.

Es ist überraschend, wie sich diese alte Gewichtseinheit, das (Zoll-)Pfund neben dem kg behauptet hat. Diesen Hinweis zur Einführung, um aufzuzeigen, wie sich alte Bezeichnungen lange halten können. Dies gilt besonders, wenn sie sich in langem Gebrauch auch bewährt haben.

Wie war es früher mit den Gewichtsmaßen, auf was mußte der Bürger oder Bauer noch im vorigen Jahrhundert oder gar noch ein, zwei Jahrhunderte früher beim Kauf oder Verkauf von Getreide achten?

Es gab ja kein kg, ja nicht  einmal ein Pfund oder Zentner im Getreidehandel, nein, es wurde nach Malter, Wispel, Himten, Scheffel, Spind, Becher, Kannen, Lasten, Fuder oder Metzen  gemessen. Diese Maße waren  Hohlmaßeinheiten, nach denen z.B. das Getreide und anderes Schüttgut gemessen  und nicht gewogen wurde.

In diesem Artikel will ich mich nur mit dem Scheffel beschäftigen. Nur? Alle Wirtschaftshistoriker, die ein

Scheffelmaß in kg umrechnen müssen, stehen als erstes vor der Frage, welches Scheffelmaß ist gemeint?

In Deutschland galten vor ca. 200 Jahren noch zig verschiedene Scheffelmaße, die regional sehr unterschiedlich waren. In Bayern gab es Gegenden, da faßte ein Scheffelmaß  ca. 222 Liter, in Preußen der Berliner Scheffel ca, 55 Liter. Und im Münsterland? Hier gab es auch viele unterschiedliche Scheffelmaße, die zwischen ca. 37 Liter und ca. 15 Liter Fassungsvermögen lagen. Mancher Ort hatte sogar noch mehrere Sondermaße auf dem Gebiet der Zehntscheffeln. Zehntleistungen mußten an den Grundherren und auch an die Kirche entrichtet werden.

Terhalle führt in seinem Buch „Getreidepreise in Vreden von 1652 bis 1891“ auf der Grundlage von Angaben im Regierungsamtsblatt Münster (Extrabeilage zu den Amtsblättern vom 03.06.1841 und vom 05.08.1843) die alten im westlichen und nordwestlichen Münsterland gebräuchlichen alten Scheffelmaße im Vergleich zu dem neuen preußischen einheitlichen Scheffelmaß auf.

Neben den für mehrere Orte oder gar einzelne Orte oder Städte geltenden Scheffelmaße (ein Dutzend sind angegeben) werden noch Zehntscheffel einzelner Grundherrschaften und Kirchen bzw. Klöster aufgeführt.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein waren von den Bauern an ihre Grundherren neben Zehntleistungen in Geld vor allen Dingen Zehntzahlungen in Naturialien zu leisten. Das hatte für den Empfänger dieser Leistungen den Vorteil, daß seine Getreideversorgung auch bei schlechteren Ernten besser gesichert war.

Auf einen Unterschied bei den Scheffelmaßen ist zuerst hinzuweisen. Es gab den gestrichenen Scheffel und den Haufscheffel. Galt das Streichmaß, wurde der Inhalt mit einem fest installierten Schwenkarm (anfangs aus Holz, im 19. Jahrhundert dann aus Eisen) glatt gestrichen. Beim Haufscheffel wurde der Scheffel voll geschüttet und die kleine Erhebung des Getreides, die sich bildete, nicht glatt gestrichen.

Beim Kauf von Getreide mußte zum einen darauf geachtet werden, welches Scheffelmaß, bzw. welcher Ortsscheffel maßgeblich war, zum andern mußte bei Käufen von auswärtigen Händlern oder Bauern die Beschaffenheit des Getreides und der Zustand (wie feucht / wie rein) beachtet werden. Damals hieß es genau wie heute: „Augen auf oder Beutel (hier: Geldbeutel) los!“. Man mußte aufpassen, oder man riskierte, daß man „übers Ohr gehauen“ wurde.

Interessant ist, daß es bei dem Zehntscheffel für die Kirche, zumindest in einigen Orten, unterschiedliche Scheffelmaße für die Zehntleistung an den Pfarrer und an die Küster gab. Terhalle führt in seinem oben genannten Buch zwei Beispiele an, wonach die Scheffelmaße für den Pfarrer größer als die für den Küster waren.

In Ochtrup war das „Stadt Coesfelder Scheffelmaß - gestrichen“ mit einem Fassungsvermögen von 25,101 Liter maßgeblich. Das gleiche Scheffelmaß galt in der Umgebung von Coesfeld und in vielen Orten des fürstbischöflichen Amtes Horstmar. Burgsteinfurt war eine selbständige Grafschaft, hier galt ein Scheffelmaß (Streichmaß) von 25,799 Liter. Dieses Maß war aber auch im benachbarten Wettringen und auch Borghorst gültig. In Nienborg galt ein besonderes Scheffelmaß (Streichmaß= mit 5,656 Liter Fassungsvermögen. Die Stadt Münster hatte ein Scheffelmaß von 23,848 Liter, Rheine besaß den kleinsten Stadtscheffel (Streichmaß) mit einem Fassungsvermögen von 22,471 Liter.

 

Wenn man Getreide kaufte, mußte also darauf geachtet werden, daß bei einem Kauf von einem Wettringer Bauern der Scheffel ca. 0,7 Liter größer war und bei einem Kauf von 5 Scheffel Getreide nach Rheiner Stadtmaß (22,471 Liter) der Unterschied zu dem in Ochtrup geltenden Streichmaß von 25,101 Liter insgesamt 11,235 Liter, also genau ein halbes Scheffelmaß nach Rheiner Streichmaß betrug. Wer hier nicht aufpaßte, setzte also zu.

Das nächstgrößere Hohlmaß für Schüttgut (Getreide) war das Malter, das in Ochtrup wie auch in den meisten Orten des Münsterlandes aus 12 Scheffeln bestand. In einigen Orten, z.B. in Bocholt und Borken ,waren ein Malter 4 dortige Scheffel. So waren die Malter auch wieder von unterschiedlichem Fassungsvermögen. In Ochtrup z.B. 12 x 25,1 = 301,2 Liter, in Wettringen 12 x 25,8 = 309,6 Liter, in Münster 12 x 23,85 = 286,2 Liter, in Rheine 12 x 22,47 = 269,64 Liter. Demgegenüber maß das Malter in Bocholt nur 4 x 30,88 = 123,52 Liter und in Borken und Umgebung sogar nur 114,8 Liter.

Auch die Unterteilung des Scheffels war im Münsterland unterschiedlich. In Ochtrup, wie in den meisten Orten des Münsterlandes, bestand der Scheffel aus 4 Spind, 1 Spind aus 3 Becher.

Ab 1816 wurden in Preußen, zu dem Ochtrup und das gesamte Münsterland inzwischen gehörte, alle Scheffelmaße auf das einheitliche Preußische (Berliner) Scheffel mit 54,961 Liter umgestellt. Später wurde in Preußen und in allen Staaten des Norddeutschen Bundes das Scheffelmaß auf 50 Liter festgelegt, um aber nach einigen Jahren der Gewichtsberechnung von Getreide in Kilogramm nach und nach zu weichen.

Diese Neuerung wurde im hiesigen Raum nur zögerlich angenommen, so daß neben der Berechnung nach „Reichsscheffel“ (1 Reichsscheffel = 50 Liter) auch oft noch nach dem alten preussischen Scheffel gerechnet wurde. Auch der Ende des vergangenen Jahrhunderts vorgeschriebene Verkauf nach kg, also nach Gewicht, brauchte einige Zeit, um sich einzubürgern.

Zwangsweise stellte sich nun die Frage wieviel Pfund bzw. kg ein in Ochtrup übliches Coesfelder Scheffel faßte. Das Schüttgewicht für Roggen liegt bei ca. 640 bis fast 800g pro Liter, je nach Beschaffenheit (trocken / naß) des Getreides (Hase und Dethlefs; Damit mußten sie rechnen ... auch auf dem Lande). Hinzu kam, daß man durch häufiges Rütteln des Scheffelmaßes eine bessere Verdichtung des Schüttgutes erreichen konnte. Außerdem führte neben Feuchtigkeit eine Verschmutzung des Getreides zu Gewichts- und Mengenreduzierung.

Ein in Ochtrup gebräuchliches Coesfelder Scheffelmaß von ca. 25,1 Liter Fassungsvermögen enthielt ungefähr 38 Pfund, das Pfund zu 500g als „Zollpfund“, trockener Roggen ca. 24 Pfund Hafer oder 33,5 Pfund Gerste. Nach Einführung des einheitlichen preussischen Scheffelmaßes mit 54,961 Liter mußte der Scheffelbottich ca. 39 kg Roggen, ca. 25 kg Hafer oder ca. 36 kg Gerste enthalten. Für den Reichsscheffel (50 Liter) ergaben sich folgende Getreidegewichte: Roggen ca. 37,5 kg, Hafer 23,5 kg und Gerste ca. 34 kg.

Nicht nur die jeweiligen Scheffelmaße haben sich nach Einführung jahrelang neben den offiziellen Bezeichnungen im ländlichen Wirtschaftsverkehr gehalten, das Wort „Scheffel“ lebt auch heute noch in alten geläufigen Redensarten fort, z.B. „er verdient Geld scheffelweise“ oder „er scheffelt nur so das Geld“.

 

In einer der nächsten Ausgaben der“ Ochtruper Heimatblätter“ wollen wir einen Ochtruper Bürger in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts auf dem Weg zur Mühle und zum Bäcker begleiten und miterleben, wie er einen eben erstandenen Scheffel Roggen in der Mühle mahlen läßt und nachher das Mehl zum Bäcker bringt, um dort Brot backen zu lassen. Was hat der Scheffel Roggen gekostet, was kostet das Mahlen und das Backen? - Das sind die Fragen, die im nächsten Artikel behandelt werden.

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