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Das Grab in der Stiftskirche

„Fotografieren (glücklicherweise) nicht verboten.“

 

- H. Kleinerüschkamp -

 

 

„Langenhorst - 1000 Jahre Kulturgeschichte“, so betitelt sich die von Prof. Klemens Brockmöller, dem damaligen Pastor in Langenhorst, im Jahr 1978 aus Anlaß der 800-Jahrfeier herausgegebene Festschrift. Der äußere Anlaß hierzu war die 800jährige Wiederkehr der Unterzeichnung einer im Jahr 1178 in Münster ausgestellten Schenkungsurkunde, mit welcher der damalige Domkanoniker und spätere Domdechant Franko von Wettringen, der durch den Tod seiner kinderlos gestorbenen Brüder in die Erbschaft sämtlicher Güter seiner Eltern gelangt war, den weitaus größten Teil dieses Vermögens dem von ihm zuvor gegründeten Augustinerinnenkloster in Langenhorst geschenkt hatte. Unerwähnt ließ Brockmöller, daß in der genannten Urkunde u. a. auch bestimmt wurde, daß ein Vetter Franko’s, der Edle Werner von Ibbenbüren, zum ersten Vogt, d. h. zum Verwalter aller äußeren Angelegenheiten des Klosters ernannt wurde mit dem Recht der Nachfolge für seinen Sohn oder einen anderen aus rechtmäßiger Ehe stammenden Nachkommen (ab ipso legitime descendens“). Diesen Passus der (nur schwer lesbaren lateinischen) Schenküngsurkunde entdeckte der münstersche Historiker und Domkapitular Adolf Tibus[1] und benutzt ihn, wie wir im weiteren Verlauf dieser Ausführungen noch sehen werden, für eine von ihm für notwendig empfundene historische Ehrenrettung des Franko von Wettringen.

 

Die von Prof. Klemens Brockmöller in der erwähnten Festschrift verfaßte Lebensbeschreibung des Franko von Wettringen endet wie folgt:

 

„Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Franko in der Zurückgezogenheit „seines“ Klosters. 1203 ist er dort als Letzter seines Stammes gestorben und vor der Krypta der Kirche begraben worden (jetzt mitten in der veränderten Kirche). Sein Grabstein, der nicht mehr vorhanden ist, trug die Inschrift:

 

Anno Domini MCCIII

Nobilis hic Franco signato militat anno

Cospore non segui capit inde stipendia regni

Ecclese Christi viscera praebet et isti

Credita destribuit, unde beatus erit

 

Im Jahre des Herrn 1203

Hier in dem oben genannten Jahr dient der Edle Franco

mit nicht schlaffem Körper empfängt er daher den Lohn

des himmlischen Reiches

Er weiht sein Herz (sein Inneres) der Kirche Christi und

hat ihr sein Vermögen übertragen, weswegen er selig sein wird.“

 

Die wohl richtigere und auch historisch aufschlußreichere Übersetzung dieses offensichtlich schwierigen lateinischen Textes lieferte einige Jahre später der Latinist und Mitglied des „LUPA e.V.“[2] Pfr. Josef Schulte, Löningen. Seine Übersetzung lautet:

 

„ImJahre des Herrn 1203

In diesem Jahr waltet der edle Franko

hier( noch) mit voller Kraft seines Amtes;

dort empfängt er den Lohn des Gottesreiches.

Christi Kirche schenkte er sein Herz und vermachte ihr alles,

was ihm anvertraut war. Deshalb wird er selig sein.“

An diesem in Stein geschlagenen Nachruf „seiner“ Klosterfrauen ist mit Sicherheit zu entnehmen, daß Franko im Jahr 1203 in Langenhorst starb und auch, daß er die letzten Jahre seines Lebens in „seinem“ Kloster in Langenhorst verbrachte; aber daß er dort, wie Brockmöller schreibt, „zurückgezogen“ gelebt hätte, kann man, der Inschrift zufolge, beim besten Willen nicht annehmen; viel eher genau das Gegenteil. Aus welchem Grund sonst wohl wäre es „seinen“ Augustinerschwestern nach seinem Tode eingefallen, daß er „hier“, also in Langenhorst noch im Todesjahr 1203, „voller Tatkraft“ seines Amtes (als Klostergründer) gewaltet habe. Er hat, so kann man bei aller gebotenen Vorsicht die Grabinschrift deuten, während seines Aufenthaltes in Langenhorst in seinen letzten Lebensjahren im Kloster bis zu seinem Tode aktiv mitregiert. Ob die Schwestern, insbesondere die Äbtissin, und der zu dieser Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit noch amtierende Vogt (Vater oder Sohn Werner von Ibbenbüren, s. o.) ob dieses Verhaltens des „merkwürdigen Mannes“[3] erfreut oder weniger erfreut gewesen waren, ist der Grabinschrift leider nicht zu entnehmen.

 

Weiter schreibt Brockmöller:

 

„... und ist vor der Krypta der Kirche begraben worden (jetzt mitten in der veränderten Kirche).“

 

Diese, fast nebensächlich erscheinende und „wie im Vorbeigehen“ hingestreute Bemerkung in der Festschrift von 1978 fußt auf einem bemerkenswerten Ereignis aus dem Jahre 1968. Damals waren die Restaurierungsarbeiten in der Langenhorster Kirche in vollem Gange. Auch der alte Fußboden wurde abgedeckt und bei dieser Gelegenheit fand man in der Krypta eine alte Grabstätte. Nicht nur für Prof. Brockmöller, sondern auch nach Meinung anderer Sachverständiger, bestand kein Zweifel daran, daß man das „Gründergrab“, also das Grab des Franko v. Wettringen im wahrsten Sinne des Wortes „entdeckt“ hatte. Wahrscheinlich waren es Pietätsgründe, welche den Pfarrer Klemens Brockmöller bewogen, dafür zu sorgen, daß das Grab ungeöffnet blieb. Schon bald veranlaßte er, daß das Grab ohne großes Aufsehen wieder zugedeckt und (bis heute!) ohne jegliche Markierung mit dem neuen Fußbodenbelag verbunden wurde. Nur der Wachheit und dem Geschichtsinteresse einer Ochtruper Mitbürgerin, die sich die Gelegenheit, das offengelegte Grab zu fotografieren nicht entgehen ließ, (Photo S. 1) ist es zu verdanken, daß die Kenntnis der genauen Stelle des Frankograbes in der Kirche in Langenhorst (noch!) nicht wieder verloren ging. Die Stelle könnte also auch heute noch(mit einem kl.Kreuz) markiert werden!

 

Dieses Foto verdient besonderes Interesse. Auch ein ungeübtes Auge wird auf dem Bild unschwer erkennen, daß es sich hier nicht um ein Einzel-, sondern um ein Doppelgrab handeln muß. Das wiederum liefert einen nicht unwichtigen Fingerzeig für die Richtigkeit einer von Adolf Tibus[4] zu seiner Zeit im Widerspruch zu den münsterschen Historikern Niesert und Erhard verfochtenen, historisch bewiesenen „Charakterreinheit“ des Franko von Wettringen. Aber beide, Tibus und Franko, waren, wenn auch durch Jahrhunderte getrennt, Mitglieder des Domkapitels zu Münster, so daß der Verdacht, Tibus habe hier zu sehr „pro domo“ gesprochen, nie ganz aus der Welt zu schaffen war.

 

Geschehen war, daß man, wie Tibus es ausdrückte, „allerdings in gutem Glauben, diesem frommen und hochherzigen Domdechanten Franko von Wettringen, auf dem sonst nicht der mindeste Tadel ruht, einen Makel anhängte, der, wenn er begründet wäre, nicht bloß seine Person aufs Höchste kompromittieren, sondern auch auf die sonst so erhebenden kirchlichen Zustände seiner Zeit einen nicht zu verwischenden Schatten werfen würde.“

Die Sache war diese: Niesert hatte bei seinen Forschungen im Langenhorster Archiv eine alte Urkunde (ohne Jahreszahl) gefunden, worin zu lesen war, daß noch zur Zeit der ersten Äbtissin („Priorissin“) Gerberg, „ein gewisser Werner, unser Bruder, Sohn des Gründers“ („quidam diktus Wernherus, frater noster filius fundatoris“) dem Kloster (der Name des Klosters war nicht genannt) ein Gut in Wilmsberg geschenkt habe. Niesert meinte irrtümlich, sie bezöge sich auf das Nachbarkloster Asbeck und mußte sich in diesem Punkt sowohl von seinem Kollegen Erhard als auch von A. Tibus eines besseren belehren lassen. Bei dem in der Urkunde genannten „Kloster“ konnte es sich nur um das Langenhorster Kloster mit der Äbtissin Gerberg handeln. Deshalb hatte Professor Erhard in seinem „Regesta Westfalica“ unter Nr. 2379 zum Jahr 1196 geschrieben: „Werner, der Sohn des Stifters des Klosters Langenhorst, welcher nach dessen Tode die Sorge für die äußeren Angelegenheiten des Klosters übernommen, schenkte diesem...“ Danach hätte also Franko von Wettringen einen unehelichen Sohn gehabt und diesen auch noch dazu bestimmt, nach seinem Tode im Kloster Langenhorst „die Sorge für die äußeren Angelegenheiten“ des Klosters zu übernehmen.

 

Weil Adolf Tibus, offensichtlich im Gegensatz zu den genannten Historikerkollegen, besonders den Text der „großen“ Schenkungsurkunde von 1178 genau studiert hatte, war es ihm ein leichtes, zu kombinieren, daß der in der späteren „kleinen“ Schenkungsurkunde, von der Langenhorster Priorissin Gerberg als „frater noster“ bezeichnete Werner niemand anderes als der zweite Vogt des Klosters, nämlich „ein aus rechtmäßiger Ehe stammender“ Sohn des ersten Vogtes Werner von Ibbenbüren sein konnte. „Stimmt es nicht vortrefflich“, so fragt Tibus, „wenn wir die Priorissin Gerberg für eine Tochter und den fraglichen Werner für einen Sohn des in der Urkunde von 1178 vorkommenden Edlen Werners von Ibbenbüren halten?“

 

Aber wie kam der Sohn Werners von Ibbenbüren „filius fundatoris nostrae ecclesiae“ (Langenhorst) genannt werden, da ja Franko der Fundator ist?

 

Darauf gibt Tibus folgende Antwort: „Als Fundator des Klosters Asbeck gilt Bischof Werner von Münster, als Fundator des Klosters Marienfeld Bischof Herimann II, und doch hatte jeder von Ihnen (nachweisbar) einen oder mehrere Mitfundatoren. So kann (und wird) auch der alte Werner von Ibbenbüren, als erster Vogt von Langenhorst (Vater der ersten Priorissin und Vater des zweiten Vogtes), Mitfundator des Klosters gewesen sein. Er ist es auch faktisch, insofern er der Stiftungsurkunde zufolge durch Verzichtleistung auf die Erbschaft zur Fundation mitwirkte.“

 

Falls die Annahme, daß es sich bei der 1968 in der Langenhorster Kirche wiedergefundenen Grabstätte des Franko von Wettringen in Wirklichkeit um ein Doppelgrab handelt, sich bestätigten sollte, kann man davon ausgehen, daß

 

erstens            die beiden „fundatores ecclesiae“ nebeneinander in der Kirche bestattet wurden (daher dasDoppelgrab); aber auch, daß

 

zweitens            der „Kombinationskünstler“[5] Adolf Tibus über den „merkwürdigen Mann“ Franko von Wettringen das Richtige gesagt und gefunden hat.

 


[1] Adolf Tibus, 1817 - 1894, Hauptwerk: „Gründungsgeschichte der Stifter, Pfarrkirchen,Klöster und Kapellen im Bereich des alten Bistums Münster, 1867; Neudruck Osnabrück H. Th. Wenner - 1977

 

[2] „Latinitatis Vivae Promovendae Associtio“

 

[3] So Tibus, a.a.O., S. 838

 

[4] Tibus, a.a.O., S. 338 - 845

 

[5] Vgl. Prof. Alois Schröer: „Das Domkapitel zu Münster“ Festschrift, S. 300 ff; Aschendorff, 1976

 

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