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Streit wegen des Torfstichs im Venn zwischen Schüttorf und Ochtrup

Wilhelm Elling, Vreden

Fürstbischof Bernhard von Raesfeld regierte im Bistum Münster von 1557-1566. Er lebte  von 1508-1574, wurde auf Schloss Hamern bei Billerbeck geboren, studierte in Köln, wurde 1524 Propst zu St. Mauritz und 1546 Domkellner . Obwohl zum Bischof von Münster gewählt,  empfing er indes keine Bischofsweihe. Anders als sein Vorgänger hielt er am alten Glauben fest. Er trat für das Konzil von Trient ein und lehnte die Priesterehe ab. Er führte den Katechismus des Jesuiten Petrus Canisius im Bistum ein. Er sah sich jedoch nicht in der Lage, gegen den Widerstand der Archidiakone, der münsterländischen Ritterschaft und der Calvinisten beiderseits der niederländischen Grenze die Trienter Reformdekrete durchzusetzen.  So resignierte der Fürstbischof im Jahre 1566, wohnte aber weiterhin in Münster, wo er 1574 starb.[1]

Im August des Jahres 1566 war er zu Besuch im Kloster der Kreuzherren zu Bentlage bei Rheine. Was mag ihn dort bewogen haben, sich um eine Lappalie wie den Torfstich an der Grenze zu Bentheim zwischen Ochtrup und Schüttorf zu kümmern? Wahrscheinlich trugen ihm die Beamten des fürstbischöflichen Amtes Horstmar dort die aktuellen Probleme vor. Zu beachten ist dabei, dass die Grafschaft Bentheim (bis 1824) kirchlich zum Bistum Münster gehörte und erst danach zum Bistum Osnabrück kam. Es war uraltes Münsteraner Gebiet.

Nun hatten Eigenhörige des Klosters Langenhorst im Moor zwischen Ochtrup und Schüttorf Torf gestochen, und Bauern der Schüttorfer Bauerschaft Samern hatten ihnen Torfspaten und Proviant abgenommen und sie vertrieben. War das eine Lappalie oder war es eine Provokation, die das Fass zum Überlaufen brachte? Der Fürstbischof hatte wegen der Reformation  im niederländischen Groningen und Friesland schon in der Vergangenheit erhebliche Gebietsverluste hinnehmen müssen.

 Samern gehörte zur Grafschaft Bentheim, in der bereits 1544 das lutherische Bekenntnis eingeführt worden war.[2] Die Feier des katholischen Gottesdienstes war von Graf Arnold II verboten worden. Wir können vermuten, dass zwischen den evangelischen Bauern von Samern und den katholischen Hörigen von Langenhorst nicht das beste Verhältnis bestand.

Das Duhsenvenn, Dohse oder Dorßer Venn, wie es vom Bischof genannt wird, erstreckte sich auf einer Fläche von über 300 Morgen nördlich von Gut Harskamp bis vor die Tore von Schüttorf. Es gehörte zur Brechter Mark, um die es seit dem Mittelalter zwischen Ochtrup und Bentheim Streit wegen der Nutzungsrechte gegeben hat. Dabei ging es nicht nur um Weiderechte, Holzeinschlag und Torfstich, sondern auch um den dort lagernden Töpferton, den die Ochtruper Töpfer zu Geld machten. Man führte deswegen mehrere Prozesse vor dem Reichskammergericht. [3] Zeitweilig vertrat man in Ochtrup sogar die wenig fromme Meinung: Lieber den Himmel verloren, als die Brechte verloren.

Holz- und Markenrichter der Brechte war seit alters der Graf von Steinfurt. Dieser verfügte 1386, dass die Bentheimer Bauern keine Rechte in der Brechter Mark haben. Die eheliche Verbindung von 1421 zwischen den Häusern Steinfurt und Bentheim änderte die Lage jedoch vollkommen: Nun gab es ein gemeinsames Markengericht.

Die Grenze zwischen dem Fürstbistum Münster und der Grafschaft Bentheim verlief mitten durch das Moor und war entsprechend undeutlich. Erst nach langen Verhandlungen kam es im Jahre 1768 zu einem Vergleich: Die Grenze sollte demnach nördlich vom Doosenmoor verlaufen. Obwohl man ein Niemandsland mit beiderseitiger Nutzung vereinbart hatte, blieb es beim Streit zwischen den alten Parteien. Erst als der Grenztraktat 1834 zwischen Preußen und Hannover die Grenze zum Nachteil von Westfalen mitten durch das Moor legte, war der Streit zuende. Seither ist die heutige Grenze  zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen endgültig.[4]

Die Langenhorster Bauern beschwerten sich 1566 bei den münsterischen Beamten in Horstmar. Als diese den Tatort in Augenschein nahmen, stellten sie fest, dass er im münsterischen Gebiet lag und verlangten vom bentheimischen Amt Altena[5] die Rückgabe der Werkzeuge.

Die bentheimische Verwaltung antwortete jedoch nicht, weil sie glaubte, dass es sich um bentheimisches Gebiet handele. Als die Beamten in Horstmar merkten, dass die Sache auf einen Rechtsstreit hinauslaufen könnte, schlugen sie einen gemeinsamen Lokaltermin vor und sprachen von einer „gutlichen beisammenkunft“.

Die Bauern von Samern reagierten indes auf eine zweite Forderung zur Rückgabe der Torfspaten auch nicht, sondern sie gingen noch einmal ins Venn und warfen den Torf der Langenhorster Bauern in die Wasserlöcher (Kulen)[6], um ihn unbrauchbar zu machen.

Wie sich die Beamten von Horstmar auf das Treffen mit denen von Bentheim vorbereitet haben und was beschlossen wurde, wissen wir nicht. Bischof Bernhard schlug seinem Domkapitel jedenfalls vor, es den Bauern aus Samern mit gleicher Münze heimzuzahlen, d.h. auch deren Werkzeug zu kassieren, ihren Torf ebenfalls zu vernichten und eine Bestrafung bzw. Schadenersatz zu verlangen.  Erst die vollständige Austorfung des Venns und die Markenteilung in der 1. H. des 19.Jahrhunderts hat wohl den Frieden zwischen den verfeindeten Bauern zu beiden Seiten der Grenze wiederhergestellt.

Es folgt der Brief im Wortlaut, den Fürstbischof Bernhardt an sein  Domkapitel am 11. August 1566 geschrieben hat:[7]

Betr. Streit um den Torfstich zwischen Ochtrup und Schüttorf zwischen den Bauern der Bauerschaft Samern und den Eigenhörigen des Klosters Langenhorst.

„Bernhardt vonn Gottes gnaden Erwelter unnd bestettigter des Stiffts Münster

Erbare u. Ersamen andechtigen u. getreuwen, wir geben euch hiemit gnediger meinungh zuerkennen, wie daß die eingesessene der Samern Burschafft deß Ampts altena  Benthemescher Graffschaft verschiener tage zugefaren, u. etlichen unsers Closters zu Langenhorst angehorigen Leutten wie sie inn unser u. unsers Stiffts hoch u. herlichkeitenn denn Dorß[8] venne zwischen Ochtorpe u. Schuttorp ettlichen Torff stechen wollen, mit der thaet Ire spaden [Torfspaten] u. anders abgenommen u. mit sich hinweg gefurt, auch es dobey nicht pleibenn lassenn, sunder Ir Kost u. Bier so sie mitgenomen umbgesturzet u. verderbt.

Als wir nun van unsern Ambtleuten zu Horstmar berichtet, das sie denn Platz inn augenschein genommen u. auß bericht auch etlichen merckzeichen, so daselbst fürhanden, anders nichts vernemen oder erfaren konnen, dann das solcher ortt weit inn unsern Stifft, dessen hoch u. gerechtigkeit gelegen, haben sie an die Beambten zu altena geschriben u. mit vermeldung, daß dadurch ohnn einigh gethon clagendt mit der thaet inn diesses Stiffts hoheit wider die gebur gegriffen, die Pande [Pfänder] widerrumb zu geben unnd dafür abtragh [Entschädigung, Buße]  zu machen, gefurdert, das sie aber zuthun sich verweigert, auß vermeintenn angebenn, als sollten sie solchen Platz für Benthemeschen halten wollen.

Deweil wir nun vermerckt, das der ortt inn streitt getzogen werdenn wollen  u. wir gleichwoll dieses Stiffts gerechtigkeit underzugehen ungern sehenn sollten, haben ferner offt gedachte unser Ambtleute diese Gelegenheit an die Benthemesche verordneten mit unserer fürwissen glangen lassen.

Mit abermaligenn beger, die versehungh zuthun, das den Leuten ire Pande widergegeben worden, u. wan denn also beschehen, das unß nicht zuwider sein sollte, den ort inn beider seits augenschein zunemmen, u. derwegenn gutliche beisammenkunfft einzureumen.

Nun haben sie aber daruff mehrglt. den unseren nit allein kein antwort zuhkomen lassen, sundern seint gerurter Samern Burschafft eingesessene für wenig tagen mit gleicher thaet zugefaren u. den Torff welchen die Langenhorstische Leutte gestochen und versamblet gehabt wider inn die Kulen eingeworffen u. gantz vernichtet.

Damit nun unser u. unsers Stiffts disfals habende aber u. gerechtigkeit nicht nachgeben, sunder ingleicher gebur gehandhabt werdenn muge, willen wir in Euwer bedencken stellen, ob nit durch unsern ambtleuten obglt. gleichmessige gegenpfandungh für die handt zu nemmen u. denn Torff, so die Benthemeschen des orts gestochen, gleichfals inwerffen zu lassenn.

Was nun hiruff Euwer gutbedunken sein wurdet, erwartenn wir Euwer furderlichen antwurt Unß darnach haben zu richten. Geben inn unserem Closter Bentlagenn am 11. August  anno p. [15] 66“

Dieser Brief  ist ein frühes Zeugnis für die Grenzstreitigkeiten in der Brechte . Wären sie vor dem Reichskammergericht  entschieden worden, dann wären  sicherlich viele spätere Verfahren unnötig gewesen. Aber obwohl im 16. Jh. eine Reihe von Prozessen zwischen Bentheim und Münster vor dem RKG anhängig waren, ist darunter keiner, der das fragliche Thema des Dohsevenns  im Jahre 1566 behandelt.



[1] Vgl. Alois Schroer, Die Bischöfe von Münster, in: Das Bistum Münster, Band I, S. 195 f.

 

[2] Erst im Jahre 1588 wechselte man in Bentheim und Steinfurt zum Kalvinismus.

 

[3] Vgl. den gründlichen Beitrag von Heinrich Voort, Ein Grenzstein in der Brechte. Zur Geschichte einer Landesgrenze.  in: Bentheimer Jahrbuch 1998, S. 79-104. Das Reichskammergericht war von 1495-1806 das höchste Gericht des Heiligen Römischen Reiches. Es sollte die Sicherheit des Landfriedens gewährleisten.

 

[4] Vgl. Anton Wegener, Ochtrup. Ein Heimatbuch, Münster 1961, S. 159-187, hier vor allem S. 181.

 

[5] Schloss Altena war im 16. Jh. der Amtssitz der gräflich bentheimischen Verwaltung in Schüttorf. Es besteht heute nicht mehr.

 

[6] Ausgetorfte „Kulen“ dienten im Sommer zur Anfertigung von sog. Mischtorf (=Klüün) und füllten sich dann gewöhnlich mit Wasser. Stichtorf und Klüün gehörten früher neben dem Schlagholz zum wichtigsten Brennmaterial der Landbevölkerung.

 

[7] STAM Domkapitel MS 3327

 

[8] Vgl . Dieter Stellmacher (Hg.), Niedersächsisches Wörterbuch. Neumünster 1951 ff: Dose, Döse bezeichnet in der örtlichen Mundart die Moosschicht im Torfmoor und hat wohl mit der alten Bezeichnung Dorßvenne zu tun.

 

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